Limburg, 15.11.2018. „Wir wollen den Populisten nicht das Feld überlassen, die unsere offene, vielfältige, freiheitliche und demokratische Gesellschaft in Frage stellen und Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder anderer Kriterien diffamieren oder ausgrenzen.“ Das sagte Diözesancaritasdirektor Jörg Klärner beim ersten „Dialogforum für eine offene und demokratische Gesellschaft“ am 13. November 2018 in Limburg. Den gut 50 Teilnehmern standen dabei Prof. Dr. Benno Hafeneger von der Philipps-Universität in Marburg sowie Eva Berendsen von der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt mit ihrer Expertise aus Forschung und Praxis zur Verfügung.
„Verunglimpfung, Intoleranz und Antisemitismus sind nicht durch die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes geschützt“, betonte Klärner. „Daher ist es unerlässlich, gegen jede Form von Menschenverachtung nachdrücklich und deutlich einzutreten.“
Dass das Thema dringlicher denn je ist, zeigen nicht nur die rechtspopulistischen Tendenzen und Wahlergebnisse in allen 16 deutschen Bundesländern. „Wir beobachten seit etwa fünf Jahren in ganz Europa einen Perspektivenwechsel, der weg von einer offenen, pluralistischen Demokratie hin zu autoritären, autokratischen und rechtsextremen Systemen geht“, sagte Benno Hafeneger. Wie die Beispiele aus Ungarn und Polen zeigten, greifen diese neuen ideologischen „Demokratiemodelle“ massiv in die Meinungs- und Pressefreiheit ein und diffamieren die Arbeit auch der Nichtregierungsorganisationen. „Das ist eine Tendenz, die wir bereits beispielsweise bei der AfD im Rheingau-Taunus erleben“, bekräftigte Diözesancaritasdirektor Klärner. Diese denunziere die Wohlfahrtsverbände als „Wohlfahrtsindustrie“, die es auf staatliche Mittel abgesehen habe und sich daher für Flüchtlinge so stark engagiere, weshalb ihnen die staatlichen Gelder gestrichen werden sollten. „Hier werden Unkenntnis, Demagogie und Ausländerfeindlichkeit miteinander verknüpft und zu einer undemokratischen und ideologischen Strategie gegen Flüchtlinge und allen, die ihnen helfen, entwickelt“, so Klärner.
Benno Hafeneger betonte, dass diese Abwertung von Anderen das Einfallstor für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist: „30 bis 40 Prozent der Bevölkerung werten bestimmte soziale Gruppen ab und sind so potenziell eher offen für die Ideologien der Rechten“, so der Fachmann. Die Themen sind dabei durch die Bank gleich: Es geht gegen Migranten, Flüchtlinge und Asyl, und Aspekte wie Kriminalität und Sicherheit werden mit diesen Themen auf perfide Weise verknüpft.
Eva Berendsen ging in ihrem Vortrag auf die rechtspopulistischen Strategien ein. Deren Vertreter streuen gezielte Provokationen in den Mainstream ein, und zwar in allen Kanälen. So bedienen zahlreiche Print-Magazine die verschiedenen Zielgruppen, eine wesentlich größere Bedeutung haben jedoch die Aktivitäten in den sozialen Medien und Netzwerken. „Hier findet der eigentliche Kampf der Rechtspopulisten um die Köpfe statt“, sagte Berendsen. Und: Waren die Rechten in den 1990ern noch über die Glatzen-Springerstiefel-Symbolik klar zu erkennen, zeichnet die neue junge Rechte ein cooler, hipper Lifestyle aus, der sich besonders bei Facebook, Instagram und Co. als Transportmittel für diese Ideologien einsetzen lässt.
Doch was lässt sich gegen den wachsenden Rechtspopulismus tun? Das war eine der brennenden Fragen der Teilnehmer. „Es geht darum, die Strategie der Provokation zu durchschauen, die Zivilgesellschaft und deren Vernetzung zu stärken, und zwar auch und vor allem online, beispielsweise durch mutige Gegenrede bei Facebook und Twitter“, betonte Eva Berendsen. „Dokumentieren Sie, benennen und kritisieren Sie rassistische, antisemitische und völkische Ideen – und erklären Sie, warum diese absolut nicht zu dulden sind. Und verdeutlichen Sie, dass solche menschenverachtenden Positionen nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind“, bekräftigte die Expertin. „Beziehen Sie selbst, auch als Caritas und Kirche, deutlich Position.“
Deutlich Position beziehen: Das hat der Diözesancaritasverband nicht nur mit dem Dialogforum gemacht, sondern auch mit seinem Positionspapier, wie Jörg Klärner erläuterte. „Unsere Handreichung mit zehn Punkten soll Orientierung und Leitplanke sein, die beiden tragenden Säulen sind unsere Glaubensüberzeugung und die damit verbundene Nächstenliebe sowie das Grundgesetz und die Würde eines jeden Menschen – beides ist aus unserer Sicht absolut nicht verhandelbar!“, so der Diözesancaritasdirektor. „Dazu gehört unter anderem, dass wir keine Einladungen von populistischen Parteien oder Vereinigungen annehmen und diese auch nicht einladen. Wir tragen auf geeigneten Veranstaltungen unsere Position als Caritas deutlich vor und überlassen den öffentlichen Raum nicht den Populisten: Denn für uns sind Nächstenliebe und die Würde des Menschen unvereinbar mit rassistischer, völkischer und menschenverachtenden Politik“, so Klärner.
Das Positionspapier „Die Caritas steht ein für eine pluralistische, offene und demokratische Gesellschaft“ gibt es online unter www.dicv-limburg.de