FRANKFURT.- Chips oder doch besser Obst? In der Henriette Fürth Straße 27 im Frankfurter Stadtteil Schwanheim wird über Nachmittagssnacks verhandelt. Sieben Kinder, die sich im Rahmen des Quartierprojektes Henriette Pur treffen, diskutieren mit Sozialarbeiterin Cornelia Wagner vom Caritasverband Frankfurt e.V. Ein Kompromiss ist schnell gefunden und die Kinder sind einverstanden mit Obst und geschmolzener Schokolade. Nun wird noch besprochen, wer alles mit einkaufen gehen darf. Wagner stellt die maßgebliche Frage und will wissen, wer noch Hausaufgaben machen muss. Ein Kind bleibt da, um die ausstehenden Aufgaben zu erledigen; die Anderen machen sich gemeinsam mit einem Betreuer auf den Weg zu einem benachbarten Supermarkt.
Das Kinderprojekt "Henriette Pur" wurde 2011 initiiert. Henriette von Fürth war eine deutsche Frauenrechtlerin und Sozialarbeiterin. Die soziale Aktivistin ist Namensgeberin einer in den 60er Jahren gebauten Straße. Es ist eine Art Ringstraße, an der zahlreiche Wohnblöcke stehen. Etwa 1200 Erwachsene und 500 Kinder leben derzeit in dem Wohngebiet, das einer Enklave gleicht. Es gibt nur einen Zuweg und die Siedlung ist allein durch die bauliche Struktur sehr isoliert. Vor gut zehn Jahren kamen die Kinder in den Blick. Es fehlte an Freizeitangeboten für sechs bis zwölf Jährige. Nach der Schule waren sie sich selbst überlassen und nirgends angebunden.
Ein Bus bringt Spiel und Spaß
Gemeinsam mit dem zuständigen Sozialrathaus wurde nach einer Lösung gesucht, berichtet Cornelia Wagner: "Wir wollten wissen, wie die Lebenssituation der Kinder ist und was sie brauchen. Unser Grundgedanke war: Wir gehen dahin, wo die Kinder sind. So entstand das Projekt Henriette Pur, die Trägerschaft übernahm der Caritasverband Frankfurt." Seitdem fährt in der Henriette Fürth Straße regelmäßig ein Bus der Caritas vor. Sein Ziel ist der Bolzplatz - von den Kindern und den Bewohner*innen auch liebevoll "Acker" genannt. Dort wird er meist von den Kindern schon ungeduldig erwartet. Das Team hat Sport- und Spielgeräte im Gepäck und die Kinder vergnügen sich mit Federball, Tischtennis, Fußball oder setzen sich an Biertische und malen, basteln oder spielen gemeinsam Kartenspiele.
Der Spielbus kommt auch in der kalten Jahreszeit, doch bei aller Kreativität schränken Wind und Wetter die Möglichkeiten ein. Ein Glückfall war es daher, dass die Wohnungsbaugesellschaft Vonovia im Haus Nr. 27 eine Wohnung zur Verfügung stellte. Dort ist seitdem das Zuhause von "Henriette Pur". "Dank der Wohnung konnten wir zusätzlich Hausaufgabenhilfe anbieten", freut sich Cornelia Wagner. Doch nicht nur das - so entstand ein Bewohner*innentreff, der ein wichtiger Anlaufpunkt für das Wohngebiet geworden ist.
Das Miteinander fördern
Ob Frauenfrühstück, Strickkreis oder Seniorinnencafé - der Bewohnertreff ist ein Ort für gemeinsame Aktivitäten. "Der Bewohnertreff ist quasi die Zentrale für Soziales Miteinander", beschreibt Wagner die Bedeutung des Treffs. Dort bietet der zuständige Sozialbezirksvorsteher von Frankfurt-Goldstein, Helmut Frank, auch eine soziale Beratungsstunde für Bürger*innen an.
Seit 2023 wird das Projekt vom Frankfurter Programm Aktive Nachbarschaft gefördert. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Cornelia Wagner berichtet, dass die Angebote sehr gut nachgefragt sind. Neben dem Spielbus und gemeinsamen Ausflügen gibt es Feste und Ferienangebote. "Wir versuchen auch, Kontakt zu Vereinen zu schaffen und die jungen Menschen über die Siedlung hinaus mit dem Stadtteil vertraut zu machen. Es ist viel mehr, als Kinder sinnvoll zu beschäftigen. Natürlich tun wir dies auch, aber es geht darum, Kindern eine Teilhabe zu ermöglichen, sie sozial anzubinden und ihnen Perspektiven zeigen".
Soziale Einbindung als Armutsprävention
Die Arbeit trägt Früchte. Demnächst beginnt eine junge Erwachsene als Helferin der Hausaufgabenhilfe. Sie selbst und ihre drei Geschwister haben als Kinder regelmäßig die Unterstützung in Anspruch genommen. Nun ist sie es, die anderen hilft.
Eine andere junge Frau engagiert sich für Mädchen in der Siedlung. Sie war früher immer eine der ersten, die auf das Spielmobil gewartet haben.
"Es ist sehr schön zu erleben, wenn junge Menschen, die als Kinder zu uns kamen, sich später selbst einbringen", sagt Cornelia Wagner. "Ich bin überzeugt, dass wir so aktiv eine soziale Einbindung fördern und damit einer Form von Armut entgegenwirken."
Unter dem Motto #starkekids rückt die Caritas im Bistum Limburg vom 17. Oktober bis zum 19. November das Thema "Kinderarmut und Bildung" in den Mittelpunkt. Damit Kinder und Jugendliche gut aufwachsen und ein selbstbestimmtes Leben führen können, unterstützt die Caritas sie und ihre Familien mit verschiedenen Bildungsprojekten, Diensten und Einrichtungen vor Ort. Dabei geht es sowohl um konkrete Hilfen, Unterstützung und Beratung in unterschiedlichen Lebenslagen als auch um die Vermittlung von Werten sowie die Stärkung des Selbstbewusstseins. Die Artikelserie ist ein Beitrag zu den bundesweit laufenden "Armutswochen". Die Caritas sensibilisiert mit den Aktionswochen für das Thema Armut.