Anschreien, Kinder gegen ihren Willen festhalten oder zum Essen zwingen, emotionale und körperliche Demütigungen: Grenzüberschreitungen und Fehlverhalten durch Mitarbeitende und pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätten kommen immer wieder vor. Wie aber kann Gewalt präventiv verhindert werden? Wie lässt sich Fehlverhalten unter Kolleginnen und Kollegen ansprechen? Und was ist bei der Entwicklung eines Gewaltschutzkonzeptes zu beachten? Über diese Fragen haben sich rund 40 Mitarbeitende, Leitungskräfte und Trägerverantwortliche katholischer Kitas am Donnerstag, 12. Oktober, in Eschborn ausgetauscht. Zu dem Treffen hatte die Limburger Diözesanarbeitsgemeinschaft des Verbandes Katholischer Kindertageseinrichtungen für Kinder (KTK) gemeinsam mit dem Caritasverband für die Diözese Limburg eingeladen.
Bei Verdacht unbedingt tätig werden
"Grenzverletzungen kommen in jeder Kita und täglich vor", betonte Heike Schnurr, Juristin, Pädagogin und Fachbuchautorin. Fehlende Fachkenntnisse und Qualifikationen, unbewusste unreflektierte Erfahrungen bei den Fachkräften, eine Teamkultur, die Grenzverletzungen duldet, sowie Überforderung und akuter Stress begünstigten Fehlverhalten und Gewalt gegenüber Kindern. Da Kinder einen gesetzlichen verankerten Anspruch auf eine gewaltfreie Erziehung haben, dürften Verdachtsfälle oder auffällige Beobachtungen nicht ignoriert werden. "Erzieher und Kita-Leitungen sind verpflichtet, tätig zu werden. Das steht ihnen nicht frei", machte Schnurr deutlich. Dazu gehöre es zunächst Kinder unmittelbar zu schützen, beobachtetes grenzwertiges Verhalten bei Kolleginnen und Kollegen anzusprechen, Einrichtungsleitungen und Träger zu informieren und gegebenenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen zu prüfen. Instrumente wie eine Verhaltensampel könnten helfen zu unterscheiden, welches Verhalten nicht erlaubt, unter bestimmten Bedingungen erlaubt oder gewünscht ist.
Gewaltschutzkonzepte in den Kitas erarbeiten
Die Expertin wies darauf hin, dass sich der Umgang mit dem Thema Gewalt in Kitas sehr in den vergangenen Jahren stark verändert habe und derzeit besonders aktuell sei. In Hessen müssen alle Kindertageseinrichtungen bis Ende August 2024 ein eigenes Gewaltschutzkonzept erarbeiten. Dieses fasst alle Maßnahmen zum Schutz des Kindes in einer Einrichtung zusammen und muss eine einrichtungsspezifische Risikoanalyse, klare Verhaltensregeln für Mitarbeitende, ein definiertes Beschwerdeverfahren für Kinder und Eltern sowie Handlungsanweisungen bei konkreten Fällen umfassen. "Ich halte das Gewaltschutzkonzept für ein tolles Werkzeug für präventiven Kinderschutz", sagte Schnurr. "Und es macht richtig Spaß, das im Team der Kita zu bearbeiten." Das Bistum Limburg wie auch andere große Trägerorganisationen stellten zur Unterstützung zwar Vorlagen und Checklisten zur Verfügung. Die konkrete Auseinandersetzung der Mitarbeitenden mit Fragen von Gewalt und Prävention sei aber entscheidend. "Damit ein Gewaltschutzkonzept gelebt wird und wirkungsvoll ist, muss es von den Mitarbeitenden erarbeitet werden", empfahl Schnurr.
Verband will Austausch über Tabu-Thema fördern
"Kindertagesstätten sind Bildungs- und Lebensorte, die Kindern Schutz, Geborgenheit und Wertschätzung bieten sollen", erklärte Petra Broo, Referentin Kinderhilfe beim Caritasverband für die Diözese Limburg. "Deshalb ist es wichtig, dass bei Grenzverletzungen und Gewalt in Kitas nicht weggeschaut wird." Professionelles Arbeiten in Kitas zeichne sich durch regelmäßige Selbstreflexion und einem Austausch im Team aus, um Grenzüberschreitungen wahrnehmen und Handlungsalternativen entwickeln zu können. Mit der Veranstaltung wolle der Diözesanverband den Austausch über ein häufig tabuisiertes Thema fördern. Inhaltliche Klarheit und Sprachfähigkeit über grenzwertiges oder falsches Verhalten sei entscheidend, um verbale, psychisch oder körperliche Gewalt zu verhindern und so Kindeswohlgefährdungen frühzeitig zu unterbinden.
300 katholische Kindertagesstätten im Bistum Limburg
Der Diözesanarbeitsgemeinschaft des Verbandes Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) vertritt die Belange der etwa 300 katholischen Kindertageseinrichtungen im Bistum Limburg auf Kommunal-, Diözesan- und Länderebene im kirchlichen, verbandlichen und staatlichen Bereich. Zu den Aufgaben der AG gehören die fachliche Unterstützung der Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsarbeit sowie deren Weiterentwicklung in Theorie und Praxis. In den katholischen Kindertageseinrichtungen im Bistum Limburg werden etwa 19.800 Kinder betreut.
Ansprechperson:
Petra Broo, Referentin Kinderhilfe
Tel. 06431/997-204
Petra.broo@dicv-limburg.de