Jörg Klärner von der Caritas Hessen fordert mehr Wohnheimplätze, den Ausbau von Produktionsschulen und ein günstiges Azubi-Ticket. Damit mehr Jugendliche im Beruf ankommen.
Herr Klärner, wir wollen über Jugendberufshilfe sprechen. Die boomt doch wahrscheinlich gerade, oder?
Wenn man sich die Zahlen ansieht, scheint jedenfalls der Bedarf da zu sein. In den vergangenen Jahren haben jeweils rund 3000 junge Menschen die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Und wir wissen, dass davon zwei Drittel keine Berufsausbildung beginnen werden. Also haben wir in Hessen jedes Jahr voraussichtlich mehr als 2000 junge Menschen, die eine besondere Begleitung, Unterstützung, Betreuung brauchen, von der Schule hin zu einer Ausbildung.
Wir hatten Corona, dadurch sind ja noch mehr junge Menschen als sonst abgehängt worden, haben teilweise die Motivation verloren oder sogar den Kontakt zur Schule und nachher auch zum Berufsleben.
Sie haben Corona angesprochen, da gibt es tatsächlich eine sehr bedenkliche Zahl. Die kommt vom hessischen Kultusministerium. Demnach wurden zwischen März 2020 und Februar 2021 genau 2126 Schüler als abgetaucht gemeldet. Für diese Zielgruppe brauchen wir natürlich noch mal andere Angebote, zum Beispiel aufsuchende Sozialarbeit, um zu schauen, wo diese jungen Menschen sind, dass wir sie abholen, dass wir sie begleiten können und es im Rahmen der Jugendberufshilfe hinbekommen, dass sie noch einen Abschluss erwerben können. Wir werden dafür verstärkt in die Brennpunkte gehen müssen, an denen sich diese jungen Menschen aufhalten.
Welche Unterstützung brauchen Einrichtungen der Jugendberufshilfe vor allem, um auch mit der größer gewordenen Zahl von Jugendlichen sinnvoll arbeiten zu können?
Eine verlässliche Finanzierung und eine enge Zusammenarbeit zwischen Schulen, Jugendberufsagenturen, Jobcentern und Trägern der Jugendhilfe, damit zum Beispiel die Plätze in Sprachkursen oder in der außerbetrieblichen Ausbildung auch wirklich belegt werden. Vieles wird in Projekten und befristet angeboten, wir brauchen aber eine grundständige Finanzierung für die Träger, beispielsweise im Bereich der Ausbildung in deren Einrichtungen, damit diese besser in der Lage sind zu planen. Das gilt natürlich auch für die Anstellung von Mitarbeitern, die ebenfalls oft nur befristet möglich ist. Gerade jetzt, wo überall Fachkräfte fehlen, ist das ein Problem, wenn Leute dann gehen. Und zudem sind das ja gerade die Leute, die helfen sollen, junge Menschen in Ausbildung und Beruf zu bringen. Das ist dann doppelt schade.
Ausbildungsplätze finden
Auf der Ausbildungsmesse-ffm am 8. September stellen sich von 10 Uhr bis 16 Uhr in der Mehrzweckhalle der Feuerwehr in der Feuerwehrstraße 3 in Frankfurt-Eckenheim über 40 Ausbildungsbetriebe vor.
Die Stuzubi Frankfurt am 30. September im Forum der Messe Frankfurt stellt sowohl Studiengänge als auch mehr als 1000 Ausbildungen vor.
Unter www.hwk-wiesbaden.de findet sich eine Lehrstellenbörse. Dort werden aktuell rund 650 offene Stellen präsentiert.
Fragen zur Ausbildungssuche beantwortet die IHK Frankfurt unkompliziert auf Whatsapp unter 0170/56 49 960.
Die Berufs- und Studienberatung der Agentur für Arbeit Frankfurt ist unter Tel. 069/21 71 21 71 oder per E-Mail unter Frankfurt-Main.Berufsberatung@arbeitsagentur erreichbar.
Eine Möglichkeit, um Jugendliche aufzufangen, sind die sogenannten Produktionsschulen. Wie sieht es damit aus?
Die werden nur zum Teil vom Land finanziert. Da sind EU-Mittel drin, und selbst die Kommunen müssen noch was dazugeben. Wir brauchen eigentlich ein flächendeckendes Angebot dieser Schulen, aber davon sind wir mit den aktuell rund 700 Plätzen weit entfernt. Da wäre sicher vor allem das Land, besonders das Kultusministerium, gefordert, mehr zu tun, um eine bessere Regelfinanzierung hinzubekommen. Es geht für die Jugendlichen etwas entschleunigt daher, es ist mehr Zeit für sie da. Schließlich geht es nicht nur um eine berufliche Qualifizierung, um einen Abschluss, sondern auch um die Entwicklung der Persönlichkeit.
Sie haben als Caritasverband zusammen mit den anderen Mitgliedern der Liga der Freien Wohlfahrtspflege einen ganzen Forderungskatalog für eine Stärkung der Jugendberufshilfe erarbeitet, um die Chancengerechtigkeit zu erhöhen. Was gehört noch dazu?
Ich glaube, wir brauchen mehr Wohnheimplätze für Auszubildende, gerade in den Ballungsräumen. Allein in Frankfurt fehlen dafür 2000 Wohnungen. Auch das ist wichtig, wenn ich Jugendliche erreichen will, deren Eltern es nicht leisten können, den Kindern irgendwo ein reguläres Zimmer zu finanzieren. Und ebenso gehört dazu die Mobilität.
Was wäre zu tun?
Wie das Semesterticket sollte es eine günstige ÖPNV-Option für Auszubildende geben, inklusive der Möglichkeit, das als Deutschlandticket zu nutzen. Wir begrüßen sehr, dass die Landesregierung den Hessenpass-Mobil erfunden hat. Das ist ein vergünstigtes Deutschlandticket für Menschen, die Bürgergeld, Sozialhilfe, Wohngeld oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Auch Studierende können ihr Semesterticket upgraden - Azubis zahlen für das Deutschlandticket dagegen bisher den vollen Preis oder sie müssen sich mit dem hessenweit gültigen Schülerticket begnügen.