Schuldnerberatungen flächendeckend in Hessen anbieten und auskömmlich finanzieren: Das hält der Direktor des Caritasverbandes für die Diözese Limburg, Jörg Klärner, für dringend notwendig - gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. "Das wäre ein nachhaltiger Schritt in die richtige Richtung. Inhaltlich klug und politisch weitsichtig. Es ist meines Erachtens sehr viel teurer, die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten einer zunehmenden Verschuldung in Kauf zu nehmen, als eine flächendeckende und für alle Menschen zugängliche Schuldnerberatung anzubieten", so der Diplom-Volkswirt. Frühzeitig vor Ort beraten sei hier das Gebot der Stunde. Kommunen müssten hierfür die notwendige soziale Infrastruktur bereitstellen. Auch beim Thema "bezahlbarer Wohnraum" seien die Kommunen in der Pflicht, so Klärner im Vorfeld der am Sonntag anstehenden Kommunalwahlen in Hessen.
Die Caritas verzeichnet im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr eine erhöhte Nachfrage an Beratung in den Schuldner- aber vor allem in den nicht durch die öffentliche Hand refinanzierten allgemeinen Sozialberatungsstellen im Bistum Limburg. Immer häufiger ist Kurzarbeit zentrales Thema und Auslöser einer individuellen und oft existenzbedrohenden Schuldenkrise. "Bereits vor der Pandemie wurden unsere Beratungsangebote sehr gut genutzt. Aktuell sehen wir uns mit der Situation konfrontiert, dass unsere Dienste das hohe Beratungsaufkommen kaum noch bewältigen können", berichtet Klärner. Viele Menschen seien durch die Pandemie in Kurzarbeit oder haben ihren Job verloren. Das bedeute weniger Mittel bei unverändert hohen finanziellen Belastungen. "Völlig unerwartet droht nun vielen Menschen der finanzielle Kollaps. Das Risiko von Verschuldung wächst und damit auch das Armutsrisiko. Das trifft nicht nur die sozial benachteiligten Gruppen. Zunehmend gerät auch die Mittelschicht unter Druck - überwiegend Menschen, deren Biografie von durchgehender Erwerbstätigkeit geprägt ist", betont der Diözesancaritasdirektor.
Aufgrund der unzureichenden Finanzierung der Schuldnerberatungen fehlt es an den entsprechenden Beratungsressourcen. "Eine niedrigschwellige und auskömmliche öffentlich finanzierte Schuldnerberatung muss unverzichtbarer Teil der sozialen Infrastruktur sein. Wir fordern daher ein Recht auf Beratung für alle. Klein- und Soloselbstständige sowie Beschäftigte in Kurzarbeit haben nach aktueller Rechtslage keinen Anspruch auf Schuldnerberatung. Die Kommunen sind hier in der Pflicht, kostenlose und leicht zugängliche Beratung beim Thema Verschuldung anzubieten", fordert er. Dabei gelte es schnell zu handeln und wenigstens kurzfristig, beispielsweise für die kommenden zwei Jahre, den Folgen der Pandemie auch mit diesen Maßnahmen etwas entgegenzusetzen. Denn es gehe nicht nur um individuelle Schuldenkrisen. Es gehe um nichts weniger als um den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Land. Eine zusätzliche soziale Spaltung müsse dringend verhindert werden.
Dramatischer Rückgang der Sozialwohnungen in Hessen - Wohnen darf kein Luxus sein
Mit Blick auf Hessen könne man zwar sagen, dass die soziale Infrastruktur gut sei, "aber an der ein oder anderen Stelle wünsche ich mir eben noch mehr Weitblick und Entschlossenheit, nicht nur wenn es um Schuldnerberatung geht. Auch wenn wir an bezahlbaren Wohnraum denken", so Klärner. "Ich bin überzeugt davon: Jeder Mensch braucht ein Zuhause und Wohnen darf kein Luxus oder ein Privileg sein. Wir beobachten in Hessen einen dramatischen Rückgang der geförderten Sozialwohnungen, während der Bedarf größer denn je ist und aller Voraussicht nach weiter steigen wird." Die Zahl der Sozialwohnungen in Hessen hat sich in den letzten 20 Jahren von ursprünglich 160.000 Wohnungen auf einen derzeitigen Stand von rund 80.000 geförderten Wohnungen halbiert. Im Jahr 2019 sind hessenweit nur 618 Sozialwohnungen fertiggestellt worden und nach Angaben des hessischen Wirtschaftsministeriums fallen im Zeitraum zwischen 2020 und 2024 nach derzeitigem Stand weitere 8.812 Wohnungen aus der Sozialbindung.
Hier gelte es gegenzusteuern: "Die Kommunen haben Zugriff auf die wesentlichen Stellschrauben beim Thema Wohnen: Sie haben Einfluss auf die Geschäftspolitik in den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Wir fordern, diese stärker an sozialen und ökologisch nachhaltigen Kriterien auszurichten", sagt Klärner. Auch bei der Vergabe von Bauland haben die Kommunen entscheidende Gestaltungsmöglichkeiten. Hier müssten konzeptionelle Kriterien stärker im Vordergrund stehen als Gewinnmaximierung. Die Kommunen müssen nach Einschätzung von Klärner mehr Wohnungen bauen und zwar Wohnungen, die bezahlbar sind.
Positionspapier zu den hessischen Kommunalwahlen
Vor den hessischen Kommunalwahlen hatte der Diözesancaritasverband zusammen mit anderen Akteuren im Bündnis Soziale Gerechtigkeit ein Positionspapier mit zehn Forderungen für eine gute Zukunft für alle vorgelegt. Darunter auch Forderungen zu Unterstützungsleistungen und zu bezahlbarem Wohnraum. Das Positionspapier ist auf der Homepage des Diözesancaritasverbandes zu finden: www.dicv-limburg.de.