"Fördern und Fordern - dieses Prinzip ist nach wie vor richtig. Leistungskürzungen dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Menschen auf das bloße Überleben reduziert werden. Wir begrüßen daher eine Begrenzung der Sanktionen im SGB II-Bezug. Menschen ohne Arbeit brauchen in erster Linie Hilfe und keine Bestrafung", kommentierte Diözesancaritasdirektor Jörg Klärner die Entscheidung.
Grundrecht auf Existenzminimum
"Wenn Leistungskürzungen dazu führen, dass sich Menschen kein Essen mehr kaufen können oder obdachlos werden, ist dies ein Verstoß gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum", bekräftigt Caritas-Präsident Peter Neher. Das staatlich zugesicherte Existenzminimum dürfe nicht vollständig gekürzt werden. Das Urteil des Gerichts macht deutlich, dass eine Minderung um mehr als 30 Prozent mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.
Der erste Senat mache klar: Die staatliche Unterstützung sei nachrangig, es sei legitim, dass ALG II-Beziehende zuerst alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Auch der Deutsche Caritasverband hatte sich im Verfahren nicht grundsätzlich gegen Sanktionen ausgesprochen, allerdings deren Grenzen sehr deutlich benannt. Mitwirkung müsse einforderbar sein, da und soweit sie auf Integration ziele. Leistungseinschnitte ins Existenzminimum seien als Strafe, etwa für Versäumnis eines Beratungstermins im Jobcenter, mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar.
Besonders begrüße der DCV, dass die Leistungskürzungen nach dem Urteil künftig auf 30 Prozent des Regelbedarfs begrenzt werden. "Je stärker das Existenzminimum gekürzt wird, desto unwahrscheinlicher wird es, dass Menschen unabhängig von ALG II werden", so Neher. Hier bleibe nun künftig die Verhältnismäßigkeit gewahrt. "Für die Menschen ist es gut, dass das Verfassungsgericht entschieden hat, dass nach einer Mitwirkung eine starre Sanktionierung von drei Monaten nicht zulässig ist. Damit haben die Betroffenen die Chance, durch Kooperation mit dem Jobcenter die Leistungsverkürzung zeitlich zu begrenzen, unterstreicht Neher." Darüber hinaus müssten die Jobcenter künftig genauer prüfen, welche Mitwirkung dem einzelnen Menschen zumutbar ist.
Caritas fordert zügige Umsetzung des Gesetzes
Als besonders wichtig bewertet der DCV die klare Aussage des Gerichts, dass Sanktionen nicht zu Wohnungsverlust führen dürfen und Regelungen nicht auf Annahmen, sondern auf Wirkungen gestützt sein müssen. Der Deutsche Caritasverband setzt sich stark dafür ein, die Kürzung der Unterkunftskosten ebenso auszuschließen wie die verschärften Sanktionen für junge Menschen. Aus den Beratungsstellen der Caritas seien die Folgen von Sanktionen bekannt: "Im schlimmsten Fall werden Menschen obdachlos und ziehen sich völlig zurück, wenn es zu einer vorübergehenden Streichung der Leistungen für die Kosten der Unterkunft (KdU) oder zu Totalsanktionierung kommt", so Neher. Der Deutsche Caritasverband fordert die Bundesregierung auf, nicht nur das Urteil zügig umzusetzen, sondern auch die dringend notwendigen Korrekturen im SGB II vorzunehmen.